Captura

Am Anfang dieses geschichtlichen Rückblickes soll ein Zitat unseres geschätzten Herrn Pastor Mercker (Gründungsmitglied der Casa Belen) aus seiner Festrede anlässlich des 25jährigen Einweihungsjubiläums am 11. Juli 1990 stehen: „Wenn wir Kirche Jesu Christi sein wollen, müssen wir Kirche für andere sein. Man kann es am Kreuz deutlich machen: Die Vertikale gehört mit der Horizontalen zusammen, die Vertikale weist auf Gott hin, die Horizontale auf den Nächsten. Gottesdienst ohne Dienst am Mitmenschen zerreißt das das Kreuz. Das höchste Gebot ist das Doppelgebot der Liebe: Der Liebe zu Gott und dem Nächsten. Dass wir als Gemeinde etwas für andere tun müssten war uns bald klar, wir wussten nur nicht gleich was, wo und wie.“

Was?

In dieser vom Wunsch der Gemeinde nach sozialem Engagement getragenen Situation, erreichte uns der Hilferuf einer Kindertagesstätte3 in Chorillos. Dort wurden 40 Waisenkinder in einem Haus namens Casa Belen ganztägig betreut. Träger dieser Stätte waren die Traperos de Emaus. (Lupensammler von Emmaus) Der Kirchengemeinderat unter der damaligen Leitung von Herrn Federico Moll beschloss, die Patenschaft für dieses Sozialnetzwerk zu übernehmen. Einmal im Monat wurde eine Kollekte für Casa Belen im Gottesdienst eingesammelt. Dies gilt übrigens bis auf den heutigen Tag. Außerdem wurden Paten gewonnen, die einen festgesetzten Betrag (damals 120 Soles de oro) pro Monat spendeten. Der Frauenkreis wurde ebenfalls aktiv. Man traf sich, um für die Kinder zu nähen, zu stopfen, zu flicken. Auch Herr Dr. Lochmann war schon zu Beginn dabei, um die Kinder zu impfen und als Arzt zu helfen, wo es nötig war.

Ein hoffnungsvoller Anfang war gemacht. Doch bald stellten sich neue Gedanken ein: Zitat aus dem Gründungsprotokoll vom 6. September 1964: „Bisher waren in unserer alten Casa Belen etwa 35 Kinder, die keine Eltern oder nur einen Elternteil hatten, der sich aus gesundheitlichen Gründen nicht um sein Kind kümmern konnte. Die Auswahl dieser Kinder lag in den Händen der Traperos de Emaus. Diese sind nun nach jahrelangen Erfahrungen zu einer Überzeugung gekommen, dass sie eine wirksamere Arbeit leisten können, wenn sie ihre Kraft nicht so sehr in Heimen zum Einsatz bringen, in denen sie Tag und Nacht für die Kinder sorgen müssen. Sie wollen dagegen das Schwergewicht ihrer Arbeit auf Tageskrippen – Cunas – verlegen, um erstens Müttern ihre Kinder am Tage abzunehmen und ihnen dadurch eigene Arbeit zu ermöglichen und um zweitens auf dem Weg über die Kinder in verstärktem Maße auf die Erwachsenen einwirken zu können. Aus diesem Grunde versuchen die Trapeoros de Emaus, ihre Häuser, in denen die Kinder fest wohnen, aufzulösen und die Kinder in anderen Heimen oder Familien unterzubringen. Dasselbe soll auch mit den Kindern unserer alten Casa Belen geschehen. Dadurch können wir ganz neu und wirksam Hilfe zur Eigenhilfe leisten.“

Wo?

Zwei glückliche Umstände ermöglichten genau 10 Jahre nach der Einweihung unserer schönen Kirche den Grundstein für die neue Kindertagesstätte der Casa Belen am 6. September 1964 in Breña zu legen. Zum einen wurde der Gemeinde im Stadtteil Breña von Maria und Frederico Moll ein Grundstück geschenkt, zum anderen stellte die Lutherhilfe aus Schweden $ 54.500 für den Neubau zur Verfügung, mit der Auflage, dass Herr Moll 7 Jahre lang für den Unterhalt der Casa Belen aufkommen müsste. Dies akzeptierte das Ehepaar Moll und somit konnte am 11. Juli 1965 während der 4. Luth. Konferenz in Lateinamerika in Lima der Neubau eingeweiht werden.

Wie?

Es begann mit 30 Kindern. Sie wurden ernährt, gekleidet und betreut. Den Müttern wurde so ermöglicht einer Arbeit nachzugehen und somit ihre berufliche und soziale Existenz zu festigen. Rasch stieg die Zahl der Kinder auf 5 Gruppen mit jeweils 20 Kindern an. Die Kinder erhalten drei Mahlzeiten pro Tag – ein wichtiges Element, wenn man in Betracht zieht wie wichtig die Ernährung besonders in diesem Alter für die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes ist. Aus den gegebenen Umständen erwuchs bald ein zusätzliches, schulbegleitendes Programm, in dem ca. 40 Grundschulkinder unter der Aufsicht zweier Lehrer nachmittags in der Casa Belen ihre Hausaufgaben anfertigen. Unterstützt wird dieses Programm durch die Kindernothilfe. Auch Grundfertigkeiten im Nähen/Schneidern und Maschinenschreiben werden im Rahmen dieses Programms vermittelt. 19923 konnten dank der tatkräftigen Unterstützung der Spender zwei neue Gruppen Räume bezogen werden. So konnte ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gehen und ein eigener Speiseraum geschaffen werden.

In diesem Jahr schließlich konnte die dringend notwendige Renovierung der Küche zusammen mit dem neuen Anstrich der Außenfassaden in Angriff genommen werden. Bereits kurz nach der Einweihung des neuen Casa Belen – Gebäudes erwuchs aus einem kleinen medizinischen Behandlungsraum eine Geburtenklinik mit 12 Betten. Die erste Geburt fand am 12. April 1966 statt. Bis heute sind hier fast 6000 Kinder zur Welt gekommen. Sozialschwachen Frauen aus Breña konnte so über viele Jahre hinweg geholfen werden.

Neueste Entwicklung und Ausblicke:

Aus rechtlichen Gründen wurde auf der Hauptversammlung 1993 beschlossen, die Casa Belen als eigenständigen, gemeinnützigen Verein in der peruanische Vereinsregister eintragen zu lassen. Trotz dieser Maßnahme ist und bleibt Casa Belen das Sozialwerk der Ev. Luth. Kirche in Lima, Peru.

Die wirtschaftliche Situation der Klink hat sich aufgrund der tiefgreifenden wirtschaftlichen – politischen Veränderungen hier in Lima von Jahr zu Jahr verschlechtert. Dies führte auf der Hauptversammlung im Frühjahr 1994 zu dem Beschluss, den Bereich der Klinik zu schließen, um sie ausschließlich auf die Arbeit in der Kindertagesstätte konzentrieren zu können. Diesem Ziel dient auch die kürzlich erfolgte Einstellung einer Sozialarbeiterin. Durch einen verbesserten Kontakt mit den Familien  in Breña soll die Arbeit über die Kindertagesstätte hinaus in den Stadtteil Breña hineinwirken.

Pastor Ekhard Brandes

Ein Auszug aus dem Buch 40 Jahre Kirchengeschichte aus dem Jahre 1994