Lima, 14. Dezember 2020

casa belen

Liebe Freunde und UnterstützerInnen der Casa Belén!
In diesem Jahr ist unsere Einrichtung 55 Jahre alt geworden. Alles begann mit der Einweihung am 11. Juli 1965 im Stadtteil Breña in Lima. Zuvor hatte Herr Federico Moll, damals Eigentümer einer Textilfabrik im selben Stadtteil und Präsident des Kirchengemeinderates der Deutschsprachigen Evangelisch-lutherischen Kirche in Peru (Christuskirche), der Kirchengemeinde ein entsprechendes Grundstück geschenkt. Auf diesem wurde die Casa Belén ab September 1964 u.a. Dank einer umfassenden finanziellen Unterstützung seitens der Lutherhilfe, dem Hilfswerk der Schwedischen Kirche, gebaut. Nach anfänglich 30 Kindern bildeten sich schnell 5 Gruppen mit jeweils 20 Jungen und Mädchen und über die Jahrzehnte hinweg betrachtet besuchten pro Jahr bis zu rund 150 Kinder aus sozial schwachen Familien die Casa Belén. In einer angegliederten Geburtenklinik mit 12 Betten kamen von 1966 bis zu deren Schließung, welche 1994 beschlossen wurde, fast 6.000 Babys von sozial benachteiligten Müttern zur Welt. Über Jahrzehnte hinweg wurde das Angebot der Kindertagesstätte durch ein Hortprogramm ergänzt. Neben Zeit zum Spielen und der Vermittlung von Grundfertigkeiten u.a. im Nähen/Schneidern und Maschinenschreiben wurden die Grundschulkinder nahegelegener Schulen hier von zwei Lehrkräften beim Erledigen der Hausaufgaben fachlich betreut.

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Im Rahmen eines Zukunftsworkshops im Jahre 2014, an welchem der Vorstand und zahlreiche Mitarbeiter der Casa Belén teilnahmen, beschlossen wir, mit unserem Angebot zukünftig neben den Kindern stärker deren Familien anzusprechen, da ein Großteil der Probleme, mit denen die Kinder in die Casa Belén kamen, ihren Ursprung im Elternhaus hat. Aus der „Kindertagesstätte“ wurde das „Familienzentrum“ Casa Belén. Mit Hilfe einer Sozialarbeiterin und einer Psychologin kümmerten wir uns fortan stärker um die Belange der Familien und boten auf das Jahr verteilt zahlreiche Veranstaltungen –auch mit Hilfe externer Referenten- zu diversen familienrelevanten Themen wie „gesunde Ernährung“ oder „Prävention von intrafamiliärer Gewalt“ an.

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Kurz nach Beginn des neuen Kindergartenjahres veränderte die Ausrufung des Nationalen Notstands mit Wirkung seit dem 16. März 2020 bis heute -bedingt durch die Covid-19-Pandemie- schlagartig unsere Situation: Wie sämtliche Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur Universität in ganz Lima und weiten Teilen Perus dürfen wir seitdem keinen Präsenzbetrieb mehr abhalten. Allein zwischen Anfang April und Ende Juni haben laut einem Bericht der führenden peruanischen Tageszeitung „El Comercio“ rund 2,7 Millionen Menschen in Lima ihre Arbeit verloren. Für 2020 wird mit einem Einbruch des BIP von über 12% gerechnet. Entsprechend der erlassenen Gesetzgebung mußten wir unseren Kindergartenbetrieb auf ein Fernunterrichtskonzept u.a. in Form von Videokonferenzen, dem digitalen Versand von didaktischem Material und Videos, umstellen. Obgleich wir den monatlichen Elternbeitrag von PEN 250.- (das entspricht derzeit rund EUR 58.-) auf PEN 75.- (das entspricht derzeit rund EUR 18.-) senkten, nahmen fortan nur noch 32 der ursprünglich eingeschriebenen 89 Kinder am Unterricht teil. Folglich brachen unsere selbstgenerierten Einnahmen drastisch ein.

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Wengleich sich die Situation der Pandemie in Peru nach dramatischen Wintermonaten seit September etwas entspannt hat, ist nicht absehbar, ob und wenn ja ab wann der Präsenzunterricht an Kindergärten und Schulen im kommenden Jahr wieder aufgenommen werden kann.
Postanschrift: Calle Monte Casino 190 – Santiago de Surco, 15039 – Lima, Perú
E-Mail: presidenta@casabelenperu.org

Vor diesem Hintergrund haben die Mitglieder des in Peru eingeschriebenen Vereins Casa Belén auf Anraten des Vorstandes im Oktober die wohl schmerzlichste Entscheidung in der Vereinsgeschichte getroffen: Zum Ende des laufenden Kindergarten- bzw. Schuljahres wird die Casa Belén ihren Betrieb einstellen und die Auflösung und Liquidation der Einrichtung ab dem 23.Dezember 2020 durchgeführt.

Dieser schwere Schritt wurde durch die Covid-19-Pandemie beschleunigt, im wesentlichen sind es aber 3 Entwicklungen, welche wir schon seit längerem beobachteten und die zu dieser Entscheidung geführt haben:

1. Trotz der wertvollen Unterstützung durch Einzelpersonen wie auch durcheinige Kirchengemeinden und vereinzelt andere Einrichtungen, ist das Spendenaufkommen in denvergangenen zehn Jahren stetig zurückgegangen bei gleichzeitig gestiegenen Unterhaltskosten. Dadurch wurde es erforderlich, insbesondere im letzten und im laufenden Jahr unsere finanziellen Reserven anzuzapfen,um den Betrieb aufrecht erhalten zu können. Diese sind nun so gut wie ausgeschöpft und nach aktuellen Berechnungen seitens der Buchhaltung werden wir das aktuelle Betriebsjahr mit einem Defizit abschließen.

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2. Das Interesse und Engagement der Gemeindemitglieder derDeutschsprachigen Evangelisch-lutherischen Kirche in Peru, dessenSozialwerk die Casa Belén bis heute ist, ist seit vielen Jahren rückläufig.Dies zeigte sich u.a. darin, dass es im zurückliegenden Jahrzehnt immerschwerer wurde und zuletzt kaum mehr möglich war, Gemeindemitgliederfür die Arbeit im Vorstand zu gewinnen. Von den acht stimmberechtigtenMitgliedern des aktuellen Vorstandes gehören –abgesehen von zwei lautSatzung geborenen Mitgliedern (Pastor und Kirchenvorstandsvertreter)-nur zwei der Gemeinde der Christuskirche an.
Postanschrift: Calle Monte Casino 190 – Santiago de Surco, 15039 – Lima, Perú
E-Mail: presidenta@casabelenperu.org

3. Das „Gesicht“ des Stadtteiles Breña und die Sozialstruktur der dort lebenden Bevölkerung haben sich in den vergangenen 10 Jahren positiv verändert. Während Anfang des letzten Jahrzehnts das Stadtbild in weiten Teilen noch von engsten Behausungen –sogenannten „quintas“- geprägt war, sind inzwischen an vielen Orten moderne Wohnsiedlungen und Hochhäuser entstanden. Lediglich rund 700 Meter von der Casa Belén entfernt symbolisiert das 2015 nach einer Investition von über 50 Millionen amerikanischen Dollern eröffnete Shoppingcenter „La Rambla“ den Trend des zurückliegenden Jahrzehnts. Die Anzahl der Einwohner, welche der Mittelschicht angehören, ist erheblich gestiegen und die Zahl derer, welche in Armut leben, bemerkenswert zurückgegangen. Folglich nahm die Zahl der Bewerber, welche unsere Aufnahmekriterien noch erfüllten, zunehmend ab und im Jahr 2019 konnten wir erstmals nicht mehr alle freien Plätze mit Kindern belegen, welche das Aufnahmekriterium -dass sie aus Familien mit einem sehr niedrigen Monatseinkommen stammen- erfüllten.

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Wir bedauern sehr, im Dezember nach über 55 Jahren einen Schlußstrich unter die Geschichte der Casa Belén ziehen zu müssen. Gleichsam hoffen wir, dass die bestehende Infrastruktur bei vorhandenem Bedarf mittelfristig durch einen neuen von der Christuskirche unabhängigen Träger weitergenutzt werden kann.

Alle 12 festen Mitarbeiter wissen bereits um die anstehende Schließung der Casa Belén und erhalten die entsprechend der peruanischen Gesetzgebung für diesen Fall vorgesehenen Abfindungszahlungen.
Postanschrift: Calle Monte Casino 190 – Santiago de Surco, 15039 – Lima, Perú
E-Mail: presidenta@casabelenperu.org

An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Menschen, Kirchengemeinden und anderen Einrichtungen in Peru, Deutschland und weiteren europäischen Ländern bedanken, welche die Casa Belén seit ihrer Gründung finanziell, materiell, durch persönlichen Einsatz oder aber in jeglicher anderen Weise unterstützt haben. Nicht wenige unter Ihnen haben sich mit der Einrichtung jahrzehntelang verbunden gefühlt und durch ihre konstante, teils viel Zeit in Anspruch genommene Hilfe erst ermöglicht, dass die Casa Belén über ein halbes Jahrhundert hinweg für viele hunderte von Kindern ein gern aufgesuchter, geschützter Ort und gleichzeitig ein Fundament in ihrer frühkindlichen Erziehung hat sein dürfen.

Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie trotz der derzeitigen Einschränkungen ein frohes Weihnachtsfest, gute Gesundheit im neuen Jahr und Gottes reichen Segen für Ihren weiteren Lebensweg.

In großer Dankbarkeit für all Ihre Unterstützung zugunsten der Casa Belén und mit herzlichen Grüßen aus Lima / Perú

Teresa Gordon Ríos
(Vorstandsvorsitzende)

Matthias Klimpel
(Schriftführer)